Podcast mit Karl Fordemann: Ein Familienunternehmen verkauft man nicht!
Einige Jahre, nachdem Karl die bis dahin erfolgreiche Traditionsbrauerei Herforder Pils von seinem Vater übernommen hat, stellt er fest, dass etwas nicht richtig läuft im Unternehmen. Als er erkennt, was dahintersteckt und dass es ihm nicht möglich ist, die Situation aufzulösen, fällt er eine weitreichende Entscheidung….
In der zweiten Folge meines Podcasts habe ich Karl Fordemann, den ehemaligen Inhaber der Brauerei Herforder Pils und heutigen Geschäftsführer der Hohenbrunner Akademie zu Gast. Karl nimmt uns mit auf seinen Lebensweg als Sprössling einer Brauereifamilie, über die späte Entdeckung seiner Liebe zum Bier, die geglückte Übernahme bis hin zur Entscheidung, das Traditionsunternehmen im siebten Jahr seiner Geschäftsführung zu veräußern. Karl erzählt von Mentoren und Weggefährten, von moralischen Zweifeln und von wichtigen Lernerfahrungen. Wie ein roter Faden zieht sich die Sehnsucht nach tiefgründigen Begegnungen und Sinnerfüllung durch seine Schilderung.
Hier einige zentralen Aussagen aus der Folge:
„Die Nachfolge war in meiner Kindheit und Jugend kein Thema. Ich hätte mir damals eher vorstellen können, mal Arzt zu werden – so wie mein Onkel. Der hat so eine Ruhe und Besonnenheit ausgestrahlt, die es in unserem zehnköpfigen Haushalt nie gegeben hat.“
„Auf unserer Fensterbank stand eine Holzkiste mit einem umlaufenden Spruch: „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“. Diese Kiste hatte ich immer vor Augen, erst später sollte ich den Sinn dahinter begreifen“
„Im Laufe meines Lebens habe ich mir immer Orte gesucht, wo ich auf Menschen gestoßen bin, die mich ernst genommen haben, die mir zugehört haben, und die mir etwas von ihrer Haltung vermittelt haben.“
„Nach dem Abitur war ich bei der Marine, auf einer fahrenden Einheit. Da kam ich bis in die USA und nach Kuba. Dort wurde mir bewusst, welchen hohen Stellenwert deutsches Bier hatte. Mit zwei Bierdosen in der Marinenhosentasche kam man überall gut an. Auf dem Rückweg von Kuba wusste ich, dass ich im Brauereiwesen arbeiten wollte.“
„Einen Beruf kann man nur leidenschaftlich ausüben, wenn man das Produkt mag, das man verkauft.“
„Bevor ich in den heimischen Betrieb ging, wollte ich meine Erfahrungen in einem fremden Unternehmen machen. Nach meinem Studium machte ich eine Ausbildung in einer fremden Brauerei. Der damalige Inhaber, der mich damals noch mit Handschlag einstellte,wurde mir Vorbild und Mentor.Er brachte mir Offenheit, Vertrauen und Mitarbeiterzugewandtheit bei.“
„Eine wichtige Lehre, die ich von ihm mitnahm: Ein Unternehmen kann nur so erfolgreich sein, wie jeder Mitarbeiter in seinem Aufgabengebiet. Nur die Summe der Erfolge der Einzelnen macht den Erfolg des Gesamtunternehmens aus.“
„Es gibt so Sternstunden im Unternehmen. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation, als mein Mentor einem seiner Mitarbeiter die Kündigung aussprach. Ich verstand, dass es keine Schande ist, sich von einem Mitarbeiter zu trennen, wenn der nicht verstanden hat, worum es im Unternehmen eigentlich geht.“
„Mein Vater hat den Nachfolgeprozess sehr umsichtig gestaltet. Die Verabredung war, dass wir zwei Jahre gemeinsam im Betrieb sind und er dann seinen Schreibtisch räumt. Tatsächlich verschwand mein Vater eine Woche nach seinem letzten offiziellen Arbeitstag aus dem Unternehmen, nicht ohne mir ein tolles Angebot zu machen: Einmal die Woche wollten wir uns am Nachmittag bei ihm zu Hause treffen und besprechen, was in der Woche passierte.“
” Die ersten zwei Jahre habe ich als Beobachtungszeit für mich genutzt. Es war mir besonders wichtig, die Mitarbeiter kennen zu lernen und keine Entscheidungen vom grünen Tisch aus zu treffen”.
“Mein Vater hat in meinen Augen alles richtig gemacht im Nachfolgeprozess. Das war für mich alles höchst bilderbuchhaft!“
„Mit den Jahren und mit der Verzweigung der Familien hattensich immer mehr Verstrickungen zwischen den Gesellschaftern ergeben. Die Geschichten und einseitigen Sichtweisen lassen sich zurückverfolgen bis in die Gründerzeit.”
„1993 machte ich ein Training für Persönlickeitsentwicklung mit. Da stellte ich mir das erste Mal ernsthaft die Frage, ob ich Zeit meines Lebens in diesem Familienunternehmen arbeiten möchte.Das erste Pflänzchen, sich von dem Unternehmen zu trennen, ist dort gewachsen. Als ich wiederkam, habe ich vieles in meiner Führungsarbeit und im Umgang mit meinen Mitarbeitern geändert.”
„Im Jahr 2002 stellte ich ein Ultimatum an die Gesellschafter, weil ich keinen anderen Weg sah. Zusammen mit einem Freund und Mentor erarbeitete ich einen neuen Vorschlag für die Zusammensetzung der Entscheidungsträger, insbesondere mit den Gesellschaftern.
„Privat Equity kam für uns nicht in Frage. Wir wollten das Unternehmen ja erhalten und die Arbeitsplätze sichern. Nach zahlreichen Gesprächen hatten wir einen Kandidaten, der sich durch sein Geschick, seinen Mut und seine Liebe zu Familienunternehmen als Idealbesetzung entpuppte. Der erhielt den Zuschlag mit einstimmiger Zustimmung der Gesellschafter.“
„Mein Nachfolger wollte mich im Unternehmen halten, doch meine Frau gab mir den weisen Rat, davon abzulassen. Sie sagte: „Stell dir vor, du hast ein Haus und musst einen Teil davon verkaufen. Für jede Veränderung musst du den neuen Besitzer um Erlaubnis fragen. Wie fühlt sich das an?“ Ich erkannte auch, wenn ich das mache, werden mir die restlichen Gesellschafter den Dolch in den Rücken rammen. So ließ ich schließlich davon ab. Aus heutiger Sicht eine sehr gute Entscheidung!“
„Ich blieb dann bis Ende 2009 in beratender Funktion. Damit hatte ich Möglichkeiten, mitzuerleben wie es weiter geht und mit den Mitarbeitern zu sprechen. Ich verhandelte mit ihm meinem Nachfolger ein lebenslanges Besuchsrecht. Das empfinde ich heute noch als sehr wertvoll.“
„Ein traditionsreiches Familienunternehmen aufzugeben, macht man nicht einfach so mal. Ich habe lange gerungen, aber schlussendlich war es genau die richtige Entscheidung, mit der ich heute meinen Frieden geschlossen habe.“
„Ich habe mir wiederholt die Frage gestellt: Was ist mir wirklich, wirklich wichtig? Dass das Unternehmen erhalten bleibt. Obim Eigentum der Familie Fordemann oder einer anderen, ist letztlich irrelevant. Hauptsache, das Unternehmen bleibt erhalten mit all dem, was damit zusammenhängt: Zulieferer, Nachbarschaft, Kunden, Mitarbeiter. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung für mich habe treffen können.“
Rückblickend betrachtet bin ich sehr froh darüber, wie es gelaufen ist. Allerdings ist mir im Nachgang klar geworden, dass man ein paar Dinge hätte anders machen können. So haben wir es wohl versäumt, uns bei Zeiten auf manche Veränderungen eingestellt zu haben bzw. die Gesellschafter davon in Kenntnis zu setzen.“
„Meine Söhne Markus und Andreas waren glücklicherweise damals in einem Alter, in dem sie alles verstanden und mir gut zugeredet haben. Später sagten sie: Papa, vielen Dank, dass du diese Verantwortung von uns genommen hast!“
„Der Logotherapeut Walter Kaufmann wurde mir ein wichtiger Lehrer, Mentor und Coach. Besonders in den Wochen und Monaten des Verkaufsprozesses unterstützte er mich sehr. Sein Fokus lag auf dem Ringen um die beste Lösung für alle Beteiligten “ unddie große Frage nach dem „Wofür“.
Zwischen 2002 und 2004 hatte ich meine Ausbildung zum Trainer bei der Hohenbrunner Akademie gemacht. Nach dem Verkauf der Brauerei war schnell klar, dass meine berufliche Laufbahn in der Hohenbrunner Akademie weiter gehen würde. Im Jahr 2009 fragte mich Walter, ob ich die Leitung der Geschäftsführung übernehmen möchte.“
Bei Victor Frankl habe ich gelernt, dass alle Herausforderungen, die dir im Leben begegnen, einen Sinnaufforderungscharakter haben.“
„Wenn der wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen Windmühlen!“
“In unserer Zeit sind die Menschen in zwei Lager gespalten. Die einen sehnen sich danach, dass es so wird wie früher. Die anderen fragen sich, was anders werden kann. Mein Wunsch ist, dass Corona nicht mit Schrecken konnotiert, sondern eher mit Freude oder Begeisterung. Das, was gerade passiert, gibt uns genug Zeit, darüber nachzudenken, von welchen Szenarien wir uns über kurz oder lang verabschieden, auf dass wir eine enkeltaugliche Welt hinterlassen.“ In der Coronapandemie steckt in meinen Augen die Chance, ein Menschheitsgemeinschaftsgefühl zu entwickeln und den nationalen Egoismusabzulegen. Wir machen gerade die Erfahrung, dass wir alle im selben Boot sitzen.“
„Man sollte sich Zeit nehmen, den Sinnaufforderungscharakter aus herausforderndenSituationen zu erkennen. Ob ich einen Sinn erkenne, hat viel mit mir selber zu tun. Ich kann mir die Frage stellen, warum ich etwas aushalten muss oder ich kann mir die Frage stellen, wofür es da ist.
„Bis ich den Sinn aus der Corona-Krise erkannt habe, hat es etwas gedauert. Ich bin einige Zeit Achterbahn gefahren. Ostersonntag bin ich mit einem Satz aufgewacht: „Runter von der Lebensautobahn, weiter auf der Landstraße“.